Die Folgen des Schenker-Deals

Die Folgen des Schenker-Deals
September 24, 2024

In einem Interview mit Sebastian Reimann von der DVZ teilt Hans Willam, Senior Advisor bei WCL Worldwide Consultants in Logistics und Logistikexperte, seine Einschätzungen zum Schenker-DSV-Deal. Willam beleuchtet die strategischen Auswirkungen dieser Übernahme auf Schenker und die gesamte Logistikbranche. Ein großer Dank geht an die DVZ und Sebastian Reimann für die Genehmigung, diesen Artikel zu veröffentlichen.

17. September 2024 | von Sebastian Reimann

Seit Freitagmorgen ist es amtlich. Die Deutsche Bahn (DB) verkauft ihre Logistiktochter Schenker an DSV. Läuft alles wie geplant und stimmen Bundesregierung sowie DB Aufsichtsrat dem Deal zeitnah zu, so verschwindet der altehrwürdige Unternehmensname mit dem für das zweite Quartal 2025 geplanten Closing nach 153 Jahren. DSV bezahlt 14,3 Milliarden Euro für den weltweit viertgrößten Logistiker und steigt nach Umsatz zur globalen Nummer eins auf. Mit 39,3 Milliarden Euro wird DSV 3 Milliarden Euro mehr erlösen als DHL und 12 Milliarden Euro mehr als Kühne + Nagel. Schenker wird mit dem 14- Fachen des operativen EBIT-Gewinns bewertet. Es sei die größte jemals in der Logistikbranche vollzogene Übernahme, sagte CEO Jens Lund.

Doch was bedeutet der Deal für die Mitarbeiter von Schenker? Wie reagieren die Kunden? Welche Herausforderungen kommen auf DSV bei der Integration zu? Und welche Auswirkungen hat die Übernahme auf das Marktgefüge? Die DVZ hat sich unter Experten umgehört.

Das Personal
Dass die Gewerkschaftsvertreter im DB-Aufsichtsrat dem Deal ihre Zustimmung noch verweigern, ist laut DSV-Chef Lund eher unwahrscheinlich. DSV hat den deutschen Schenker-Mitarbeitern eine Beschäftigungszusage für einen Zeitraum von zwei Jahren ab Closing gegeben. Er gehe davon aus, dass sich alle „professionell“ verhalten, so Lund.

Der ehemalige Schenker-Chef und heutige Aufsichtsratsvorsitzende von Hellmann, Thomas Lieb, glaubt, dass vonseiten DSVs alle Doppelstrukturen zur Disposition stehen. So hat Schenker allein drei Unternehmenszentralen in Deutschland, zwei in Frankfurt für Deutschland und Europa sowie eine in Essen (Schenker AG). DSV selbst spricht davon, 1.600 bis 1.900 Vollzeitstellen in Deutschland „anpassen“ zu wollen. Lieb geht ferner davon aus, dass auch die Zentralen in den Regionen Asien und Amerika überprüft werden; gefolgt von den Zentralen in den  Landesgesellschaften.

Für Hans Willam, Gründer und heutiger Senior Advisor des Beraternetzwerks Worldwide Consultants in Logistics, stellt sich auf der anderen Seite die Frage, ob die Leistungsträger dem neuen Unternehmen treu bleiben oder ihm den Rücken kehren. Dies ist nicht trivial, da es offiziell DSVs Ansatz ist, bei solchen Großübernahmen einen internen Wettbewerb um die Managementpositionen auszurufen, im Zuge dessen sich die am besten geeigneten Kandidaten durchsetzen sollen. „Best athlete for the job“, heißt das bei den Dänen. Nach der Panalpina-Übernahme hätten aber mindestens 40 der Top-50-Panalpina-Manager das Unternehmen verlassen, so der Experte.

Die Kunden
Willam geht davon aus, dass DSV auf Kundenseite Verluste verkraften werden muss. Dies sei schon bei den Übernahmen von Panalpina und Agility in erheblichem Maße zu beobachten gewesen. Lieb schätzt, dass gut 15 Prozent des heutigen Schenker-Geschäfts auf den Markt kommen werden. Willam erwartet, dass die Wettbewerber die Chance nutzen, um Schenker-Kunden zu einem Wechsel zu bewegen. Zudem berichten beide Experten von „Change of Control“- Klauseln, die es Kunden erlauben, in solchen Fällen von ihren Verträgen zurückzutreten. „Außerdem hat DSV gerade im produktübergreifenden Global-Key-Account-Management nicht den besten Ruf“, so Willam.

Die Integrationsaufgaben
Spannend wird dem Experten zufolge auch sein, wie gut es DSV gelingt, die unterschiedlichen Unternehmensstrukturen zu vereinen. Während Schenker in einer klaren Matrix agiere, habe DSV eine Struktur mit Divisionen und zugleich starken Regional und Länderverantwortlichen. „Ich habe große Zweifel, dass dies in einer Organisation mit gut 140.000 Mitarbeitern  zukunftsfähig ist“, sagt er. Er erwartet, dass DSV folglich insbesondere das globale Produktmanagement in der See- und Luftfracht wird stärken müssen und entsprechend die Macht der Länderchefs und auch der Niederlassungsleiter beschneiden muss.

Die Marktveränderungen
DSV wird nach Volumen die weltgrößte Luftfrachtspedition sowie hinter Kühne + Nagel knapp die Nummer zwei in der Seefracht. In der Kontraktlogistik reicht es nach Lagerhausfläche weltweit für Rang drei. Zudem entsteht im Landverkehr „ein führender europäischer Akteur“.

Welche Folgen der Deal für die Stückgutkooperation IDS hat, deren Partner und Gesellschafter DSV ist, ist derzeit noch nicht abzusehen. DSV betreibt konkret 7 der 53 IDS Standorte in Deutschland „Wir können jetzt erst in die Gespräche gehen“, sagt Geschäftsführer Michael Bargl. Operativ ändere sich in dem Verbund vorerst nichts, die Netzsicherheit sei gewährleistet, verweist Bargl auf langfristig laufende Verträge bis mindestens Anfang 2027. „Wir werden uns nun zusammensetzen müssen und sehen, wie es langfristig weitergeht.“

Mitarbeit: Lutz Lauenroth